Mein Vater hatte diese Woche seinen 80. Geburtstag. Und wow – ich finde es beeindruckend, wie fit und jung er ist. Von meinem Sohn bekam er ein T-Shirt auf dem steht: Laut Ausweis – 80, Ein Aussehen wie – 50, Im Kopf noch – 25. Und ja, das passt tatsächlich.
Zwei Tage vor dem Geburtstags-Fest saß ich in der Früh gemütlich bei meinem Kaffee und ging in Gedanken die nächsten Tage durch. Es war noch viel zu tun. Die letzten Geschenke organisieren und fertig machen, Geschenkpapier und Billett kaufen, Torte abholen, noch ein paar Kleinigkeiten besorgen. Im Business war auch noch eine Menge zu erledigen. Die 50. Podcast Episode online stellen, Blog-Artikel und Sonntags-Post schreiben, Coaching-Termine abhalten.
Wie ich so darüber nachdachte, merkte ich, wie sich ganz langsam Unruhe in mir breit machte. Ziemlich viel Arbeit musste in ziemlich wenig Zeit untergebracht werden.
Früher hätte mich dieser knappe Zeitplan gestresst und unter Druck gesetzt. Meine Laune wäre in den Keller gesackt und ich wäre hektisch durchs Haus gewieselt.
Aber diesmal war es anders. Anstatt mich durch meine eigenen Gedanken aus der Ruhe bringen zu lassen, setzte ich mich in mein Büro und arbeitete eine Aufgabe nach der anderen ab.
Und siehe da. Nach 2 Stunden waren ein Gutschein designt und zum Druck weitergeleitet, die Podcast-Folge fertig geschnitten und freigegeben und der erste Entwurf für den Blog-Artikel geschrieben.
Stress kommt nicht von außen
Was mir an diesem Morgen wieder einmal bewusst wurde, ist, dass wir uns den Stress zu 100 % selbst machen. Wir sind keine Opfer der Umstände oder anderer Personen. Wenn wir Opfer sind, dann ausschließlich von unserem eigenen Denken. Wenn wir es denn zulassen.
Mir ist klar, dass das der gängigen Meinung widerspricht. Denn die sagt immer noch, dass es da draußen Faktoren gibt, die in uns Stress und Druck erzeugen.
Nur wäre das der Fall, dann müssten wir immer in der gleichen Situation gestresst sein. Allerdings weißt du sicher aus eigener Erfahrung, dass das nicht der Fall ist. Manchmal stresst dich der Stau, manchmal nicht. Manchmal stresst dich dein Konto-Stand und manchmal nicht, obwohl sich an der Höhe nichts verändert hat.
Und wären es äußere Faktoren, dann müssten alle Menschen von denselben Dingen gestresst sein. Aber auch hier wissen wir, dass dem nicht so ist. Wir alle kennen Menschen, die schnell und oft gestresst sind und andere, die kaum aus der Ruhe zu bringen sind.
Auch wenn es sich ganz anders anfühlt, so sind es doch immer unsere eigenen Geschichten und Filme im Kopf, die Stress, Druck und Ängste in uns erzeugen. Immer. Zu 100 %.
Das Prinzip „Denken“ erkennen
Jetzt könnte es sein, dass du diesen Zusammenhang auch schon irgendwie erkannt hast. Dann taucht vermutlich bei dir, wie bei vielen meiner Kund:innen, die Frage auf: Ok, Silvia, wenn das meine Gedanken sind, die mich stressen, wie kann ich diese dann stoppen?
Mir fällt bei dieser Frage immer der Vergleich mit der Gravitation ein. Vor einiger Zeit fiel mir eine volle Flasche Olivenöl zu Boden. Was für eine Sauerei! Öl und Scherben in der ganzen Küche verteilt. Auf den Kästen, auf dem Boden, in den Ritzen. Ich habe eine halbe Stunde benötigt, um dieses Chaos wieder zu beseitigen.
Dieses Malheur ist mir passiert, OBWOHL ich weiß, dass die Gravitation alles zur Erde zieht, was keinen festen Boden unter sich findet. Und nur weil ich weiß, dass es Gravitation gibt und auch (halbwegs) verstehe, wie sie funktioniert, bedeutet das nicht, dass sie deshalb bei mir nicht mehr wirkt.
Die Schwerkraft ist ein Grund-Prinzip und wirkt, ganz gleich, ob wir wissen, dass es sie gibt oder nicht, ob wir daran denken oder nicht und auch, ob wir daran glauben oder nicht.
Bei unseren Gedanken ist es genauso. Wir sind Menschen und daher entstehen Gedanken in uns. Und nur weil wir das erkennen, hören wir nicht plötzlich auf zu denken.
Es ist ein Grund-Prinzip. Menschen denken!
Und manchmal erzeugen diese Gedanken eine ziemliche Sauerei in uns. Wütende, ängstliche, ärgerliche, sorgenvolle, beschämende Gedanken erzeugen die entsprechenden Körperreaktionen und Gefühle in uns. Das kann schon mal ziemlich heftig werden. Das ist nicht schlecht oder falsch, das ist einfach so.
Bei der Gravitation erkennen wir das Prinzip – alles wird zu Boden gezogen. Bei unseren Gedanken erkennen wir das nicht. Daher glauben wir, dass wir etwas dagegen tun müssten.
Aber so, wie ich niemals noch eine weitere Ölflasche zu Boden werfen würde, damit sich die vorherige in Luft auflöst, so ist es sinnlos, noch weitere Gedanken draufzulegen, damit die ersten, unangenehmen, wieder verschwinden. So funktioniert das nicht.
Was können wir tun?
Eigentlich gibt es nichts zu tun. Wir haben ein perfektes System, dass sich von ganz allein wieder neutralisiert.
Die Kunst ist nicht, unangenehme Gedanken und Gefühle nicht mehr zu haben, sondern sie als das zu erkennen, was sie sind und sie in Ruhe zu lassen. Denn dann verziehen sie sich genauso schnell, wie sie gekommen sind.
Kennst du die Schneekugeln. Leider ist meine zerbrochen (Gravitation war schuld), aber früher verwendete ich sie sehr gerne in meinen Coachings, um das Prinzip „Denken“ zu erklären.
Wenn man diese Schneekugel schüttelt, dann wirbelt der ganze Schnee auf. Noch mehr schütteln, bedeutet noch mehr Schnee. Stellen wir die Kugel zurück auf den Tisch, dann sinkt der Schnee von ganz allein zu Boden und nach einer Weile ist die Sicht wieder klar. Wir brauchen nichts tun, damit sich der Schnee senkt. Außer die Schneekugel in Ruhe zu lassen.
Das Prinzip „Denken“ funktioniert genauso. Noch mehr schütteln (denken) erzeugt noch mehr Gedanken und Gefühle. Lassen wir aber unsere Gedanken in Ruhe, lassen sie vorbeiziehen, tun nichts damit, dann beruhigt sich unser System von ganz allein wieder. Und nach einer Weile sehen auch wir wieder klarer und können klare Entscheidungen treffen.
Als ich an dem Morgen vor dem Geburtstags-Fest meinen Kaffee trank, erkannte ich die dunkle Wolke, die sich langsam über mir zusammenbraute. Mir war klar, dass sich der Stress in kürzester Zeit auf meinen ganzen Körper ausweiten wird, wenn ich noch weiter darüber nachdenke, was ich noch alles zu erledigen habe. Also habe ich meinen Gedanken keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt und sie vorbeiziehen lassen. Und anstatt mich selbst in Stress zu versetzen, habe ich in Ruhe meinen Kaffee ausgetrunken und mich dann an die Arbeit gemacht.
Mir ist klar, dass das viel zu simpel erscheinen kann. Mir ist auch klar, dass das nicht immer funktioniert. Aber je besser wir dieses Prinzip „Denken“ verstehen, umso schneller erkennen wir, was gerade in uns abgeht. Und umso schneller können wir diesen inneren Film stoppen und wieder zur Ruhe kommen.
Nicht immer. Aber immer öfter.