Freitag ist mein üblicher Blog-Schreibe-Tag. Oft kommen die Ideen bereits im Laufe der Woche und ich brauche sie dann nur noch zu Papier zu bringen. Manchmal taucht das Thema erst am Freitag in der Früh während meines Spazierganges auf.
Diese Woche war es anders. Es kam gar nichts. Es herrschte totale Leere in mir. Früher hat mich dieses „Nichts“ in Panik versetzt. Ich habe dann in alten Artikeln herumgekramt, ob ich vielleicht einen neu verwenden kann. Manchmal entschloss ich mich dazu, gar keinen Beitrag zu schreiben, nur damit dieses unangenehme Gefühl in mir verschwindet. Auf alle Fälle verbrachte ich viel Zeit mit dem Suchen nach einer Idee oder einer Alternative.
Mittlerweile ist das nicht mehr so. Ich denke aktiv nicht mehr nach, sondern weiß, dass irgendwann eine Idee zu mir kommen wird. Und der erlösende Gedanke kam, während ich gemütlich im Garten bei einer Tasse Kaffee saß: Schreib doch genau über die Leere, die du gerade spürst.
Leere ist unerwünscht
Wie geht es dir mit der Leere? Mit dem Nichts? Stellen sich bei dir auch die Nackenhaare auf und dich ereilt leichte Panik? Gerade, wenn du eigentlich ganz dringend „Etwas“ benötigst, etwa eine zündende Idee und „Nichts“ genau das ist, womit du am wenigsten jetzt anfangen kannst.
Unsere Gesellschaft lebt uns das vor. Alles muss voll und überladen sein. Wir brauchen immer mehr, auch, wenn wir gar nicht wissen, wozu wir das „mehr“ eigentlich brauchen. Hauptsache, wir haben es.
Du erinnerst dich ganz bestimmt – März 2020, Beginn von Corona – als die Regale leer geräumt waren. Ich weiß nicht genau, wo die Menschen die Massen an Nudeln, Bohnen und Klopapier hin geräumt haben, aber offensichtlich gab es ihnen ein gutes Gefühl, wenn sie in eine überladene Küche oder in einen bis oben hin angefüllten Keller gegangen sind.
Diese unerwünschte Leere endet aber nicht bei Lebensmittel, Geld oder Gegenständen. Auch im Kopf müssen wir voll sein. Voll mit Wissen und Meinungen. Die einen habe zu jedem Thema unheimlich viel zu sagen, obwohl ihnen fundiertes Wissen fehlt. Andere wiederum eignen sich mehr und mehr Wissen an, um endlich das Gefühl von „genug“ zu erhalten.
Trotz all der Fülle, die uns umgibt, herrscht ganz viel Mangel. Mangel an Selbstvertrauen, an Empathie, an Gemeinschafts-Denken. Und es herrscht Leere, die vor allem im Herzen.
Viele fühlen sich einsam, von sich und der Welt abgeschnitten. Sie haben das Gefühl, dem großen Anspruch an Fülle nicht gerecht zu werden, denken sie wären oder haben nicht genug. Da scheint Leere genau in die entgegengesetzte Richtung zu zeigen, in die sie eigentlich gehen möchten.
Wann ist „genug“?
Das Problem ist nicht, dass wir danach trachten, genug zu haben. Genug Essen, damit wir unseren Körper mit den wichtigsten Nährstoffen versorgen können. Genug Geld, damit wir uns das Dach über dem Kopf leisten können.
Das Problem ist, dass wir nicht wissen, wann „genug“ ist.
Ein Verstand, der gelernt hat, dass wir nur ja nicht Mangel erleiden dürfen, sendet immer das Signal nach „nicht genug“ aus. Wir tun nicht genug, wir haben nicht genug und wir sind nicht genug. Viele meiner Kund:innen sind in diesem Mangel-Denken gefangen, weil sie glauben, was immer sie tun oder sind, es reicht einfach nicht.
Das kann ein sehr kritischer Kreislauf sein, der, wenn wir ihn nicht erkennen und durchbrechen, in einem Zustand der Unzufriedenheit, des Stresses und auch der Angst enden kann. Auf der Suche nach „mehr“ brennen wir aus, weil unser Gehirn nie das Kommando „genug“ gibt. Es entspannt sich nicht, sondern ist immer am Erkunden, was noch alles fehlt, damit wir endlich in Sicherheit sind.
Mangel ist ein Gedanke.
Fülle der Natur-Zustand
Die Transformation von Mangel zur Fülle kommt jedoch nicht durch einen vollen Kasten, ein gefülltes Bankkonto oder viel Wissen.
Sie vollzieht sich, wenn wir 2 Dinge erkennen:
- Materielle Fülle führt niemals zu einem Gefühl der Fülle.
- Fülle ist nicht dort. Sie ist immer DA.
Mangel ist ein Gefühl, dass durch unser Denken ausgelöst wird und zeigt nicht die Tatsache auf, dass wirklich etwas fehlt. Wir erleiden Mangel, weil wir glauben, dass etwas fehlt. Das ist ein riesengroßer Unterschied!
Während Mangel ein Gedanke ist, ist Fülle der natürliche Zustand. Wenn ich mich nicht in einen Mangel hineindenke, dann ist Fülle automatisch da.
Ein paar Beispiele von mir: Seit mehr als zwei Jahren ernähre ich mich vegan. Es ist passiert und war keine bewusste Entscheidung von mir. Ich liebe es aber seit Anbeginn und es tut mir unglaublich gut.
Wenn ich jemanden davon erzähle, bekomme ich als Antwort meist: „Wow, da musst du aber auf viel verzichten, da darfst du so viel nicht essen.“ Ich erlebe aber genau das Gegenteil. Die Auswahl der Speisen, die ich zu mir nehme, hat sich vervielfacht. Das Angebot ist mittlerweile riesig und die Möglichkeiten unendlich. Ich sehe die Fülle, die vorhanden ist, während viele Menschen den Mangel sehen, den sie dadurch vielleicht erleiden würden.
Oder: Voriges Jahr bin ich den Jakobsweg gegangen. Bepackt mit einem Rucksack, bin ich einfach drauflos marschiert. Keine einzige Sekunde habe ich mir in den 3 Wochen über irgendwas den Kopf zerbrochen, was ich alles nicht habe. Ich habe auch hier nur die Fülle gesehen, mit der ich durch die Wanderung beschenkt wurde.
Wenn wir unseren Fokus auf das richten, was wir nicht haben oder sind, dann agieren wir wie jemand, der mit der Taschenlampe in einen großen Raum geht. Die Taschenlampe leuchtet nur einen kleinen Ausschnitt aus und unsere Aufmerksamkeit ist auf das gerichtet, was gerade ausgeleuchtet ist.
Was wir durch diesen engen Fokus nicht sehen, ist das, was rundherum alles vorhanden ist. Steigen wir aus dem Mangel-Denken aus, dann ist es, als ob wir das Licht aufdrehen. Plötzlich sehen wir, wie voll der Raum ist, wir sehen, was alles vorhanden ist, wir sehen, dass wir die ganze Zeit nur geglaubt haben, dass nichts da ist.
Die Leere, die ich am Anfang beschrieben habe, hat sich plötzlich in eine Fülle an Möglichkeiten verwandelt. Ich hätte über alles Mögliche schreiben können, nichts war fix. Anstatt panisch herumzusuchen, habe ich das Thema zu mir kommen lassen.
Durch die Leere durchtauchen
Heute spüre ich keinen Mangel mehr, denn ich weiß, ich muss nur warten, bis neue Ideen kommen. Diese können aber nur in mir aufsteigen, wenn ich nicht in Panik gerate, weil nichts da ist. Und sie können auch nur dann kommen, wenn ich keine fixen Vorstellungen habe, sondern mich in die Leere hineinfallen lasse, durchtauche, und dann im Reich der Fülle wieder auftauche.
Lassen wir das Mangel-Denken los, dann taucht oft erst mal Leere auf. „Was nun?“, ist eine häufige Frage. Denn das Denken darüber, was wir alles nicht haben, nicht können und nicht sind, nimmt sehr viel Raum in uns ein. Diese Gedanken wiegen uns auch in Sicherheit, denn wir kennen sie, sie fühlen sich vertraut an.
Dieses Gefühl der Leere, des Nicht-Wissens, kann sehr unangenehm sein. Wenn wir das aushalten, hier nicht sofort in alte Gewohnheiten zurückfallen – wie Aktionismus, nur damit das unangenehme Gefühl verschwindet – dann betreten wir den Raum der Möglichkeiten.
Es scheint ein Paradoxon zu sein, vielleicht ist es auch nur das Spiel des Lebens. Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, wenn wir Fülle erleben wollen, müssen wir uns zuerst von „mehr“ abkehren und in die Leere gehen, bevor wir die wahre Fülle des Lebens erfahren können.
Es gibt eine passende Zen-Geschichte, die du hier findest.