Wohlbefinden umsetzen: Warum intelligente Menschen scheitern

„Liebe Silvia, ich lese deine Artikel, höre deinen Podcast, verstehe alles intellektuell. Aber ich schaffe es einfach nicht. Sobald der Alltag zuschlägt, bin ich wieder im alten Modus. Was ist bloß mit mir los?“

Diese E-Mail bekam ich letzte Woche von Maria, 48, Projektleiterin in einem IT-Unternehmen. Und ehrlich gesagt: Ich kenne diese E-Mail auswendig. Ich bekomme sie fast täglich – nur mit anderen Namen, anderen Jobs, aber immer derselben Verzweiflung.

Warum schaffen es intelligente Menschen nicht, Wohlbefinden umzusetzen, obwohl sie es längst verstanden haben?

Weil Verstehen und Umsetzen zwei völlig verschiedene Dinge sind. Und weil unser System – vom Gehirn bis zur Gesellschaft – alles dafür tut, dass wir im alten Hamsterrad bleiben.

Nach zig solcher E-Mails habe ich erkannt: Es gibt 5 unsichtbare Kräfte, die jeden Veränderungsversuch sabotieren. Und das Perfide daran? Sie tarnen sich als Realität, Vernunft oder sogar als Selbstfürsorge.

Kraft #1: Die Komplizen-Gesellschaft

Maria erzählte mir von einem Gespräch mit Kolleginnen. Alle jammerten über Stress, Überstunden, unmögliche Deadlines. Sie wagte einen Einwurf: „Wisst ihr, ich probiere gerade aus, zuerst auf mein Wohlbefinden zu achten…“

Sekunden der Stille. Dann ein Lachen: „Ach Maria, du mit deinen Ideen. Wenn wir alle so denken würden, bräuchten wir ja gar nicht mehr arbeiten.“

Das war’s. Thema beendet. Zurück zum gewohnten Leidenskatalog.

Was hier passiert ist, nennen Psychologen „Systemerhaltung“. Wenn eine Person aus dem gewohnten Muster ausbricht, wird sie automatisch zurückgezogen. Nicht aus Bosheit – sondern weil Veränderung das gesamte Gruppengefüge bedroht.

Jeder, der entspannt und trotzdem erfolgreich ist, stellt die Grundannahme in Frage: „Es muss hart sein, sonst ist es nichts wert.“

Die Lösung? Nicht missionieren. Nicht erklären. Einfach leben – und sich neue Verbündete suchen.

Du hörst lieber?

Zu diesem Thema gibt es auch eine Podcast-Episode.

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Kraft #2: Der Optimierungs-Trick des Verstandes

Michaela, Selbstständig, schreibt mir: „Ich habe mir Wohlbefinden-Termine in den Kalender eingetragen. 15 Minuten morgens, 10 Minuten mittags. Aber es fühlt sich an wie ein weiteres To-Do.“

Bingo. Der Verstand hat wieder zugeschlagen.

Sie nimmt das Konzept „Wohlbefinden“ und macht ein Projekt daraus. Plötzlich willst du Wohlbefinden umsetzen wie ein Business-Ziel, trackst deine Entspannung, hast KPIs für deine Gelassenheit.

Ich kenne das. Früher hatte ich eine App für Meditation, eine für Achtsamkeit, eine für Dankbarkeit. Mein Handy war voller Tools für inneren Frieden – nur Frieden hatte ich keinen.

Das Problem: Sobald du Wohlbefinden als Mittel zum Zweck einsetzt („Ich entspanne mich, DAMIT ich produktiver bin“), ist es kein Wohlbefinden mehr. Es ist Stress mit Räucherstäbchen.

Echter innerer Frieden lässt sich nicht optimieren. Er entsteht, wenn du aufhörst zu optimieren.

„Echter innerer Frieden lässt sich nicht optimieren. Er entsteht, wenn du aufhörst zu optimieren.“

Kraft #3: Der Panik-Modus des Gehirns

„Ich kann nicht stillsitzen“, sagt Lisa. „Sobald ich nichts tue, kommen tausend Gedanken: Was ich noch alles erledigen muss, was schiefgehen könnte, was andere denken …“

Willkommen im Überlebensmodus des 21. Jahrhunderts.

Unser Gehirn ist darauf programmiert, ständig nach Problemen zu scannen. In der Steinzeit war das überlebenswichtig. Heute macht es uns verrückt.

Stille wird als Gefahr interpretiert. „Wenn du nichts tust, verpasst du etwas! Andere arbeiten, während du hier rumsitzt!“

Vor Jahren machte ich ein Experiment: 5 Tage Schweige-Retreat im Kloster. Kein Reden, kein Lesen, kein Schreiben. Nur sein.

Die ersten zwei Tage waren die Hölle. Mein Verstand schrie: „Du verschwendest Zeit! Du könntest jetzt arbeiten! Schreiben! Produzieren!“

Am dritten Tag wurde es still. Und in dieser Stille entdeckte ich Dinge in mir, die ich jahrelang überhört hatte.

Die Wahrheit: Dein Gehirn wird kämpfen gegen jede Form von echtem Sein. Aber dahinter wartet ein Reichtum, von dem du noch nicht mal ahnst, dass er existiert.

Kraft #4: Das Entweder-Oder-Drama

„Ich pendele zwischen Extremen“, erzählt mir Susanne. „Entweder bin ich totaler Workaholic oder ich will gar nichts mehr machen. Gibt es nichts dazwischen?“

Oh doch, gibt es. Aber der Weg dorthin führt durch Verwirrung.

Jahrelang lebte ich im Leistungsmodus. Dann schwang das Pendel ins Gegenteil: Ich verteufelte Ziele, Pläne, jede Form von Struktur. Fünf Jahre lang.

Das war auch nicht die Lösung.

Heute lebe ich dasselbe Leben wie früher – nur von einem anderen inneren Ort. Ich habe Termine, Projekte, Ziele. Aber ich bin nicht mehr identifiziert damit. Sie sind da, aber sie bestimmen nicht mein Wohlbefinden.

Der Trick: Es geht nicht um das WAS, sondern um das WIE. Nicht darum, was du tust – sondern von welchem inneren Zustand aus du es tust.

„Es geht nicht um das WAS, sondern um das WIE. Nicht darum, was du tust – sondern von welchem inneren Zustand aus du es tust.“

Kraft #5: Das große Vergessen

„Das Verrückte ist“, schreibt Anna, „manchmal gelingt es mir. Ich bin entspannt, alles fließt, ich fühle mich gut. Aber dann vergesse ich es einfach wieder. Wie kann man etwas vergessen, was so offensichtlich besser funktioniert?“

Weil Vergessen menschlich ist.

Als Kind saß ich einmal im Kino und schaute mir Pinocchio an. Als der Wal Pinocchio verschluckte, konnte ich gar nicht mehr aufhören zu weinen. Für mich war das damals real – der arme Pinocchio würde nie wieder herauskommen.

Heute kann ich einen Film schauen, mich fürchten oder traurig werden – aber ich weiß: Es ist nur ein Film.

Das Leben ist auch nur ein Film. Ein sehr real aussehender, aber dennoch ein Film.

Das Problem: Wir vergessen das ständig. Wir tauchen so tief in den Film ein, dass wir vergessen, dass wir im Kino sitzen.

Aber hier ist die gute Nachricht: Sobald du diese tiefere Ebene einmal gespürt hast, kannst du sie nicht mehr „nicht kennen“. Du wirst vergessen – aber auch wieder erwachen.

Was jetzt?

Diese 5 Kräfte werden wirken. Bei dir, bei mir, bei jedem.

Das ist nicht dein Versagen – das ist menschlich.

Der Unterschied liegt darin, wie du damit umgehst. Kämpfst du dagegen an? Oder erkennst du sie als Teil des Spiels?

Ich bekomme immer noch diese E-Mails. Von Menschen, die verstehen, aber nicht umsetzen können. Und jedes Mal antworte ich dasselbe:

Es ist ein Prozess. Kein Ziel.

Du wirst beim Wohlbefinden umsetzen ins alte Muster zurückfallen. Wieder und wieder. Aber jedes Mal wirst du schneller bemerken, wo du bist. Was früher Wochen dauerte, dauert dann Tage. Was Tage dauerte, nur noch Stunden.

Die umgekehrte Erfolgsformel ist nicht etwas, was du erreichst. Sie ist etwas, was du lebst – mal mehr, mal weniger, aber immer wieder neu.

Und weißt du was? Das reicht völlig.

Falls du auch zu den Menschen gehörst, die verstehen, aber nicht umsetzen können – du bist in bester Gesellschaft. Und du bist auf dem richtigen Weg, auch wenn es sich nicht so anfühlt.

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Alles Liebe

2 Comments

  1. Anette 6. Juni 2025 at 14:41 - Reply

    Vielen Dank, Silvia, für diesen tollen Beitrag! Ich habe mich in allen Situationen (über die Jahre) wiedererkannt. Besonders dieser Gedanke: „Du warst doch schon mal an dem Punkt, die Balance zwischen außen (Job, To-Do‘s, Hustle) und innen (Wohlfül-Momente, Intuition spüren) gut zu halten. Warum hast du dich da wieder wegbewegt?“
    Es beruhigt mich und stimmt mich hoffnungsvoll, dass es auch anderen so geht 😃
    Also, Ärmel hochgekrempelt, deine Tricks nochmal angeschaut und los geht‘s in die nächste Runde….

    • Silvia Chytil, M.Sc. 11. Juni 2025 at 9:22 - Reply

      Hallo liebe Anette,
      hahaha – ja absolut, uns geht es allen so 😀.

      Und das wirklich Schöne ist – du hattest den Zustand schon mal. Auch wenn du ihn zwischenzeitlich vergessen hast, kannst du jederzeit wieder dorthin.
      Dann wirds auch mit dem Vergessen besser 😏.

      Alles Liebe
      Silvia

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