Erwartung vs Vision
Kennst du das von dir selbst? Die brillante Idee, die im Kopf umhergeistert, aber nie das Licht der Welt erblickt. Oder der Plan, der auf halbem Weg stecken bleibt, weil die Angst vor dem Scheitern größer ist als der Wunsch nach Erfolg.
Es ist ein Phänomen, das viele Selbstständige und Unternehmer:innen kennen: die Schwierigkeit bei der Umsetzung.
Nur, warum fällt es uns oft so schwer, unsere Pläne in die Tat umzusetzen? Liegt es an der fehlenden Zeit, den Ressourcen oder steckt vielleicht mehr dahinter?
In diesem Artikel gehen wir den unsichtbaren Barrieren auf den Grund, die unsere besten Absichten und kühnsten Visionen zum Erliegen bringen können.
Wir tauchen tief in die Welt der Visionen und Erwartungen ein – zwei entscheidende Faktoren, die eine Schlüsselrolle dabei spielen, wie wir unsere Ideen wahrnehmen und in die Realität umsetzen.
Eine Idee, die die Welt verändert
Vor einigen Jahren hatte ich eine Kundin, die Schwierigkeiten hatte, ihre Ideen umzusetzen. Egal, welches Vorhaben sie plante, sie kam immer an einen Punkt, an dem sie nicht weiterkam.
In einem unserer Coachings stellte ich ihr eine einfache Frage: „Was erhoffst du dir am meisten von deiner Idee?“
Ihre Antwort kam sofort: „Ich möchte ein iPhone haben.“
Jetzt ging es ihr natürlich nicht darum, tatsächlich ein iPhone zu besitzen oder eins zu entwickeln. Sie strebte nach einer Idee, die so bahnbrechend ist wie das iPhone. Eine Idee, die die Welt verändert. Eine, die jeder haben will. Eine Idee, mit der sie erfolgreich und bekannt werden könnte.
Diesen Wunsch höre ich oft in ähnlicher Form. Viele Selbstständige hoffen darauf, die eine geniale Idee zu haben, die ihnen den großen Durchbruch bringt.
Der Durchbruch kann auf verschiedene Weisen erfolgen. Manche erhoffen sich, dass ihre Idee ihrem Business zum Erfolg verhilft. Andere wünschen sich mehr Stabilität, Klarheit und Orientierung. Wieder andere träumen davon, mit dem perfekten Produkt oder der perfekten Dienstleistung ihre Work-Life-Balance zu verbessern.
Das eigentliche Problem liegt jedoch woanders: Keine Idee kann all diese Erwartungen erfüllen.
Das Hauptproblem ist nicht der Mangel an revolutionären Ideen, sondern die Last der Erwartungen, die wir an diese Visionen knüpfen.
Wir verwandeln den anfänglichen Funken der Inspiration in eine schwere Last, die uns lähmt, anstatt uns zu beflügeln.
Die Kraft einer Vision
Steve Jobs‘ Weg zum Erfolg mit dem iPhone dient oft als Paradebeispiel dafür, wie eine Vision die Welt verändern kann.
Was wir jedoch oft übersehen, ist, dass der Erfolg keineswegs vorhersehbar war. Er stand vor enormen Herausforderungen und musste gegen heftigen Gegenwind ankämpfen. Überall hörte er, dass seine Idee eine Illusion sei, ein Hirngespinst; niemand würde ein solches Smartphone benötigen oder gar wollen.
Aber all diese Zweifel und Widerstände hielten ihn nicht auf. Warum? Weil er etwas viel Mächtigeres hatte, das ihm half, jedem Widerstand die Stirn zu bieten: eine Vision.
Jobs wollte, dass jeder Mensch, egal wo er sich befindet, Zugang zum Internet hat.
Diese Vision, die so viel größer war als er selbst, war seine Motivation und sein Antrieb. Sie ermöglichte es ihm, Fehlschläge hinzunehmen, ohne den Blick für das Große Ganze zu verlieren.
Das Hauptproblem ist nicht der Mangel an revolutionären Ideen, sondern die Last der Erwartungen, die wir an diese Visionen knüpfen.
Stop-and-Go-Strategie
Wenn wir im Business an unseren Ideen, Träumen und Wünschen arbeiten, tauchen unweigerlich Erwartungen auf – sowohl unsere eigenen als auch die anderer.
Natürlich wollen wir nicht als ewige Träumer:innen wahrgenommen werden oder nur Luftschlösser bauen.
Das ist auch völlig in Ordnung, denn Unternehmer:in zu sein bedeutet, aktiv zu handeln und unsere Ideen in die Tat umzusetzen.
Somit sind Erwartungen an sich nichts Schlechtes. Sie können der Antrieb sein, um unsere Ziele konsequent zu verfolgen.
Zum Problem werden Erwartungen jedoch, wenn sie sehr strikt und unflexibel sind und mehr Druck als Freude erzeugen.
Besonders dann, wenn der Wunsch entsteht, dass sich unser Business (oder Leben) durch diese eine Idee dramatisch verändern oder verbessern soll.
So wie bei meiner Kundin, die sich erhoffte, mit „DER weltverändernden Idee“ nie mehr Sorgen um Geld, Kund:innen oder Erfolg haben zu müssen. Wenn das passiert, verwandelt sich das anfängliche Feuer oft in Druck, Schwere und Stress. Wir beginnen zu grübeln, zu zweifeln und viel über uns und unsere Idee nachzudenken.
Viele verfallen dann einer Stop-and-Go-Strategie. Sie haben eine neue Idee, sind voller Begeisterung und beginnen daran zu arbeiten.
Sobald jedoch etwas nicht wie geplant läuft, beginnen sie zu zweifeln. Plötzlich ist der ganze Spirit und die Energie, die die Idee zuvor noch getragen hat, verschwunden.
Also machen sie sich auf die Suche nach einer neuen, besseren Idee und der Zyklus von Auf und Ab, Starten und Stoppen beginnt von Neuem.
Vision vs. Erwartung
Das eigentliche Problem liegt allerdings nicht an der Idee. Es lag auch niemals dort. Vielmehr liegt es daran, dass wir unsere Ideen belasten, als ob wir einen Heißluftballon mit zusätzlichen Gewichten beschweren würden.
Eine Vision ist luftig und leicht. Sie wird getragen von unserer Begeisterung, Neugier und Freude.
Erwartungen an ein bestimmtes Ergebnis sind jedoch schwer und mühsam. Sie engen uns ein, lassen uns zweifeln und grübeln.
Jetzt könnten wir meinen, dass Vision und Erwartung ein und dasselbe sind.
Tatsächlich gibt es jedoch einige, oft kaum wahrnehmbare, aber doch sehr wichtige Unterschiede:
Vision:
- Visionen sind kraftvolle Inspirationsquellen, die uns ein Gefühl von Richtung geben und ein inneres Feuer entfachen, das uns vorantreibt.
- Sie sind das Idealbild dessen, was wir erreichen möchten, weitreichend und voller Potenzial.
- Oft betreffen Visionen nicht nur uns selbst, sondern sie gehen über uns hinaus. Sie repräsentieren, was wir uns für unsere Kund:innen, für die Menschen in unserer Umgebung oder für die ganze Welt wünschen.
- Sie entspringen unserem tiefsten Inneren und sind meist der Grund, warum wir tun, was wir tun.
Erwartungen:
- Erwartungen dienen als unsere Messlatte für Fortschritt und Erfolg.
- Erwartungen sind spezifisch, messbar und oft eng mit der Realität verknüpft, was sie zu einem zweischneidigen Schwert macht: Sie können motivieren, aber auch zu Frustration und Enttäuschung führen, wenn sie nicht erfüllt werden.
- Erwartungen sind sehr stark mit uns selbst verknüpft. Es ist etwas, das wir für uns persönlich wollen.
Stoppe den Kreislauf, nicht die Idee!
Der Übergang von der Vision zur Erwartung geschieht oft schleichend. Ich bin mir sicher, dass du selbst einige Beispiele kennst.
Anfangs warst du voller Euphorie. Du hast dich mit der Idee beschäftigt, experimentiert und einfach gehandelt. Du warst im Flow.
Aber irgendwann wurde es schwierig. Plötzlich hast du angefangen, darüber nachzudenken. Ob die Idee gut genug ist. Ob sie umsetzbar ist. Ob sie Erfolg haben wird.
Genau das ist der Moment, in dem die Erwartung deine Vision verschlingt. Schritt für Schritt, Freude für Freude.
Was meist übrig bleibt, sind Frustration und die Suche nach der nächsten perfekten Idee.
Aber du kannst diesen Kreislauf durchbrechen.
Entferne die Schwere aus deinem Handeln, indem du dich Schritt für Schritt deinem Ziel näherst, ohne ständig über das Endergebnis nachzudenken und was es für dich tun kann oder soll.
Deine Ideen benötigen deine Lebendigkeit und Begeisterung. Sie brauchen die Flügel, die du ihnen gibst.
Denn wenn du ihnen diese verweigerst, wirst du immer nur eine Träumerin bleiben, die zwar viele gute Ideen hat, aber kaum welche davon umsetzt.