Präsent Sein
Kennst du das Gefühl, körperlich an einem Ort zu sein, aber mit den Gedanken überall anders? Du hast ein Gespräch mit jemandem, nickst ab und zu, aber innerlich bist du schon bei der nächsten Aufgabe oder einem Problem, das gelöst werden muss. Der Moment, der gerade passiert, rauscht vorbei – und du merkst es erst hinterher.
Das ist nichts Ungewöhnliches, aber es ist auch nicht hilfreich. Denn je mehr wir im Gedankenstrom feststecken, desto mehr verpassen wir. Präsenz – wirklich im Hier und Jetzt zu sein – ist ein Schlüssel, den viele unterschätzen, aber der dein Leben verändern kann. Nicht nur für dein persönliches Wohlbefinden, sondern auch für deine Produktivität und die Qualität deiner Beziehungen.
Ich weiß das aus eigener Erfahrung – und aus der Arbeit mit meinen Kund:innen. In diesem Artikel möchte ich mit dir teilen, warum Präsenz so wertvoll ist, warum es uns oft schwerfällt, sie zu erreichen, und was du tun kannst, um mehr davon in dein Leben zu bringen.
Ein persönliches Beispiel: Sechs Wochen in Traumkulisse und doch abwesend
Vor ein paar Jahren habe ich mit meinem damals vierjährigen Sohn meine Schwester in den USA besucht. Sie lebte in einem traumhaften Haus direkt am Meer. Eigentlich der perfekte Ort, um die Seele baumeln zu lassen, oder?
Doch zu dieser Zeit steckte ich mitten in einer Trennung und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Mein Kopf war voll von Fragen, Unsicherheiten und Sorgen. Und obwohl alles um mich herum wunderschön war – der Ozean, die Zeit mit der Familie, die neuen Eindrücke – war ich nicht wirklich „da“. Meine Gedanken waren immer in der Zukunft. Was passiert als nächstes? Wie soll ich weitermachen?
Erst viel später wurde mir klar, dass ich diesen wunderbaren Moment, diese sechs Wochen in einer Traumkulisse, kaum wirklich erlebt habe. Es ist, als wäre ich nie wirklich dort gewesen. Und das hat mich sehr nachdenklich gemacht.
Gedankenkarussell und das Hier und Jetzt
Ich bin mir sicher, dass du solche Situationen auch kennst. Vielleicht sitzt du bei einem Abendessen mit Freund:innen, aber deine Gedanken sind bei den unerledigten Aufgaben des Tages. Oder du liest ein Buch, musst aber immer wieder zurückblättern, weil deine Gedanken ständig abschweifen. Wir alle kennen diese Momente, in denen wir zwar physisch anwesend sind, aber mental ganz woanders.
Der Grund dafür? Wir sind in einem ständigen Gedankenkarussell gefangen. Mal drehen sich unsere Gedanken um die Vergangenheit („Hätte ich das nicht anders machen sollen?“), mal um die Zukunft („Was, wenn das nicht klappt?“). Diese ewigen Grübeleien kosten uns den Moment, den wir gerade erleben könnten. Und das, was wir verlieren, ist unwiederbringlich.
Was passiert, wenn wir nicht präsent sind?
Vielleicht denkst du jetzt: „Das klingt alles gut, aber ich habe keine Zeit, um präsent zu sein. Ich habe so viel zu tun!“ Und genau das ist der Punkt. Was passiert, wenn wir nicht präsent sind?
- Wir fühlen uns ständig überfordert und gestresst
In unserem Kopf läuft eine endlose Liste von To-dos ab, die uns das Gefühl gibt, niemals wirklich fertig zu werden. Wir hetzen von einer Aufgabe zur nächsten, ohne jemals innezuhalten. Das führt zu ständiger Überlastung, Stress und dem Gefühl, unter Druck zu stehen.Wenn du jedoch präsent bist – also deine volle Aufmerksamkeit auf die aktuelle Aufgabe richtest – dann erledigst du sie Schritt für Schritt. Spannenderweise wirst du dadurch nicht nur ruhiger, sondern auch produktiver, weil du nicht gleichzeitig in Gedanken versuchst, die nächste Aufgabe zu erledigen.Bleib in deinem Kopf da, wo dein Körper ist – genau das ist der Schlüssel. Wenn du lernst, deine Gedanken auf den Moment zu fokussieren, kannst du Stress reduzieren und viel effektiver arbeiten.
- Wir fühlen uns ständig unzufrieden
Oft denken wir, dass unsere Unzufriedenheit durch äußere Umstände verursacht wird – durch den Job, die Beziehungen oder Dinge, die noch nicht erledigt sind. Aber die Wahrheit ist: Unsere Unzufriedenheit entsteht, weil wir mit einer „Mangel-Brille“ durch die Welt gehen. Wir fokussieren uns auf das, was noch nicht perfekt ist, und sagen uns, dass wir erst dann zufrieden sein können, wenn alles erledigt ist.Doch das wird niemals passieren. Es wird immer etwas geben, das noch nicht passt. Wenn wir unsere Zufriedenheit ständig in die Zukunft verschieben, verpassen wir die Möglichkeit, sie jetzt zu erleben. Präsenz hilft uns, den Moment so anzunehmen, wie er ist – und in ihm Zufriedenheit zu finden.
Präsenz und der Flow-Zustand: Nichts Mystisches, sondern ganz natürlich
Jeder von uns hat schon einmal diesen besonderen Zustand erlebt: den Flow. Das Gefühl, wenn du so vertieft in eine Aufgabe bist, dass die Zeit wie im Flug vergeht und du komplett in dem aufgehst, was du tust. In diesem Zustand bist du produktiv, fokussiert und alles läuft beinahe mühelos.
Der entscheidende Punkt dabei ist: In den Flow-Zustand gelangst du nur, wenn du wirklich präsent bist. Du bist voll und ganz bei der Sache, mit deiner Aufmerksamkeit vollständig im Moment. Es gibt keine Ablenkungen, keine störenden Gedanken – nur dich und die Aufgabe.
Doch so oft holen uns genau diese Gedanken aus dem Flow heraus. Wir fangen an, uns Sorgen zu machen, was als Nächstes kommt, oder denken über Vergangenes nach. Plötzlich ist der Fokus verschwunden, und mit ihm der Flow.
Das zeigt deutlich: Präsenz ist nichts Mystisches oder Abgehobenes. Es ist ein ganz natürlicher Zustand, den wir immer wieder erfahren, wenn wir mit unserer Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt sind. Wenn wir in unserem Kopf da bleiben, wo unser Körper ist.
Bleib mit deinem Kopf da, wo dein Körper ist.
Warum ist es so schwer, präsent zu sein?
Es klingt so einfach, aber in der Praxis stellt sich oft heraus, dass es ziemlich herausfordernd ist. Warum? Weil unsere Welt voller Ablenkungen und Anforderungen ist. Ständige Erreichbarkeit, endlose To-do-Listen und der Druck, produktiv zu sein, machen es uns schwer, innezuhalten.
Hinzu kommt, dass viele von uns gelernt haben, ständig in Bewegung zu sein – geistig und körperlich. Stillstand oder Pausen werden oft als ineffektiv oder faul angesehen. Aber genau das ist der Punkt: Wir müssen lernen, dass das Anhalten und Bewusstwerden des Moments keine Zeitverschwendung ist, sondern eine wertvolle Praxis.
Was bedeutet es, präsent zu sein?
Präsent zu sein bedeutet, dass du deine Aufmerksamkeit auf das richtest, was gerade passiert – ohne dich von Gedanken, Sorgen oder Ablenkungen mitreißen zu lassen. Es bedeutet, mit deinem ganzen Bewusstsein im Moment zu verweilen, ganz gleich, ob du arbeitest, ein Gespräch führst oder einfach einen Spaziergang machst.
In meiner Arbeit mit Kund:innen sehe ich immer wieder, wie schwer es vielen Menschen fällt, präsent zu sein. Eine Klientin erzählte mir kürzlich, wie sie regelmäßig mit ihren Kindern Bücher liest, aber dabei gedanklich ihre To-do-Liste durchgeht. Am Ende wusste sie nicht mehr, worum es in der Geschichte ging.
Eine andere Kundin bemerkte, dass sie beim Sprechen mit anderen ständig innerlich Bewertungen vornimmt: „Habe ich das Richtige gesagt? War ich zu direkt?“ Diese inneren Monologe machen es schwer, das Gegenüber wirklich wahrzunehmen und auf die Bedürfnisse des Moments einzugehen.
Warum es sich lohnt, präsent zu sein
Präsent zu sein, ist weit mehr als nur eine Übung in Achtsamkeit. Es hat konkrete Auswirkungen auf unser Leben:
- Fokus und Produktivität: Wenn du bei der Sache bist, bist du effektiver. Du kannst Aufgaben schneller und besser erledigen, weil du deine volle Aufmerksamkeit darauf richtest, anstatt zwischen verschiedenen Gedanken hin- und herzuspringen.
- Beziehungen: Präsenz schafft echte Verbindungen. Wenn du wirklich zuhörst und auf dein Gegenüber eingehst, spürt dein Gegenüber das sofort. Es entsteht eine tiefere Verbindung, weil du präsent und aufnahmebereit bist.
- Wohlbefinden: Ständiges Grübeln und Sorgenmachen ist anstrengend. Wenn du präsent bist, gönnst du deinem Geist eine Pause vom ewigen Gedankenkarussell. Das führt zu mehr innerer Ruhe und weniger Stress.
Wie du mehr Präsenz in dein Leben bringst
Präsent zu sein ist uns von Natur aus gegeben. Schau dir kleine Kinder an – sie sind immer im Hier und Jetzt, nicht in ihren Gedanken verloren. Doch während wir erwachsen werden, verlernen wir diese Fähigkeit. Die gute Nachricht ist: Mit etwas Übung kannst du sie wiederbeleben, und es wird für dich bald ganz selbstverständlich sein. Hier sind ein paar einfache Ansätze, die du ausprobieren kannst:
- Hol dich zurück
Wann immer du merkst, dass du (wieder) in deinen Gedanken verloren bist, hol dich einfach sanft zurück zu dem, was du gerade tust. Ohne dich dafür zu verurteilen oder zu denken: „Ich schaff das nie.“ Es braucht nur etwas Übung, um dein Bewusstsein im Moment zu halten, anstatt auf Gedankenreisen zu gehen. - Alltägliche Arbeiten bewusst erledigen
Gerade bei Routineaufgaben – Kochen, Aufräumen, Autofahren, Spazierengehen – neigen wir dazu, mit den Gedanken abzuschweifen. Übe dich darin, bei diesen Tätigkeiten ganz bewusst zu bleiben. Handle nicht automatisiert, sondern beobachte dich selbst dabei, wie du die Dinge erledigst. - Den Moment genauer betrachten
Hast du schon einmal bewusst wahrgenommen, was alles in einem einzigen Moment passiert? Welche Geräusche hörst du? Was siehst du? Wer oder was bewegt sich um dich herum? Wie riecht es? Um das Ganze noch greifbarer zu machen, schreib auf, was du in einem Moment alles wahrnimmst. Du wirst erstaunt sein, wie viel in einem einzigen Augenblick geschieht.
Wenn du wirklich „da“ bist, nicht nur für dich, sondern auch für andere, schaffst du eine solide Grundlage für authentische Verbindungen und effektive, zielgerichtete Arbeit.
Fazit: Präsenz ist der Schlüssel zu einem erfüllteren Leben
Präsent zu sein ist eine Praxis, die dir dabei hilft, dein Leben bewusster und erfüllter zu erleben. Es ist keine einmalige Entscheidung, sondern ein tägliches Üben. Wenn du es schaffst, im Moment zu sein, wirst du nicht nur mehr innere Ruhe finden, sondern auch deine Beziehungen und deine Arbeit auf ein neues Level heben.
Denke daran: Bleib in deinem Kopf da, wo dein Körper ist. Diese einfache Praxis kann dir helfen, immer wieder zurückzufinden, wenn deine Gedanken abschweifen. Präsenz ist kein ferner Zustand, sondern etwas, das du jederzeit im Alltag kultivieren kannst.
Fang klein an – vielleicht mit einem tiefen Atemzug oder einer bewussten Handlung. Die Magie des Moments entfaltet sich genau dort, wo du wirklich da bist.