Ungeduld: Wenn das Leben nicht schnell genug ist

Bist du auch manchmal so ungeduldig? Du wünschst dir, dass sich Veränderungen in deinem Leben schneller zeigen, dass du die Ergebnisse jetzt schon siehst und erlebst?

Als ich 2018 einen neuen Weg in meinem Business einschlug, war Geduld die größte Herausforderung. Diese innere Ruhe zu finden, dass große Veränderungen Zeit brauchen. Und das Vertrauen, dass alles seinen Weg gehen wird, so wie es soll.

Es ging mir nicht schnell genug. Ich hatte eine klare Vision, wusste, wo ich hinwollte – aber mein Leben zeigte davon nichts. Stattdessen fühlte ich mich, als würde ich auf der Stelle treten. Als ob ich rennen wollte, mich aber eine unsichtbare Hand zurückhält.

Die Vision vor Augen, das Leben ruft

Eine Vision im Kopf zu haben, ist wunderbar. Du malst dir aus, wie glücklich du sein wirst, wie sinnvoll dein Leben sein wird, wenn alles so läuft, wie du es dir vorstellst. Natürlich willst du dann lieber in diese Zukunft, wo alles rosig und schön ist, als im Jetzt zu sein, wo das alles noch fehlt.

Das Fantastische an unserer Vorstellungs-Kraft ist, dass wir durch die Zeit rasen können. Wir können uns fünf Jahr in die Zukunft beamen und uns ein Leben erträumen, das nur so vor Glück, Reichtum, Erfolg, Zufriedenheit, Schönheit, Liebe, Anerkennung und vielem mehr strotzt. Wir sehen das Paradies vor Augen. „Warum sind wir noch nicht dort???“, schreit es in uns.

Das Leben, auf das du jetzt blickst, scheint Lichtjahre von deiner Vision entfernt. Du bist voller Tatendrang, willst losrasen – aber du bewegst dich keinen Zentimeter weiter. Das kann sehr frustriend sein.

Früher dachte ich, diese Vision sei etwas, das ich erschaffen und dem Leben aufzwingen müsse. Als ob ich mich anstrengen müsste, damit sich das Leben in meine Richtung bewegt.

Aber was, wenn diese Vision der Ruf des Lebens selbst ist? Was, wenn das Leben uns aufzeigt, dass Veränderung bevorsteht – durch Bilder und Gefühle, die uns locken und uns zeigen, was möglich ist? Alles, was wir tun müssten, wäre im Fluss des Lebens weiterzugehen.

Das Leben hat seine eigene Zeitrechnung, und es liegt an uns, dieser zu vertrauen.

Wenn der Verstand die Kontrolle übernimmt

Doch dann kommt der Verstand und schreit: „Das will ich jetzt haben, sofort!“

Und plötzlich überholt er das Leben. Nennt diese Vision sein Eigen und rast mit voller Wucht davon. Sprintet in die Zukunft, zerrt, reißt, drückt an uns und sagt: „Los, mach was. Irgendwas, Hauptsache du tust was, damit wir endlich dort sind.“

Um seinen Standpunkt zu unterstreichen, färbt er das aktuelle Leben in graue, dunkle Farben. Das, was uns gerade noch gefallen hat, widert uns plötzlich an. Wofür wir gestern noch Energien hatten, wird mit einem Mal anstrengend und schwer. So wie wir gestern waren, ist heute nicht mehr ok. Was wir gestern für richtig gehalten haben, ist heute falsch.

Der Verstand hält uns die Karotte vor die Nase, wir hetzen hinterher, kommen zwar immer wieder aus der Puste, aber die Karotte sieht so einladend aus, dass wir sie unbedingt haben wollen.

„Wann erreiche ich sie endlich?“ hallt es in uns. „Wann bin ich endlich am Ziel?“, fragen wir, vollkommen außer Atem. Aber an ein Stehenbleiben ist nicht zu denken, zu schön ist unsere Vision.

Während wir unserer Vision hinterherrennen, geht das Leben weiter seinen Weg.

Allerdings hält es uns an der sicheren Leine. Rennen wir zu weit voraus, zieht es kurz am Seil. Wir kommen ins Straucheln, ins Stolpern, fallen vielleicht sogar nieder.

Aber nur kurz. Wir nehmen all unsere Kraft zusammen, rappeln uns wieder auf und laufen weiter. Denn in uns tönt es immer noch laut: „Los, los, weiter. Du bist noch lange nicht am Ziel. Da gibt es noch so viel zu tun, du hast keine Zeit zum Stehenbleiben.“ Also starten wir wieder los. Diesmal noch schneller. Denn je schneller wir laufen, umso schneller sind wir am Ziel. Zumindest denken wir das.

Nichts tun – und das Leben arbeitet weiter

Als ich mich damals in meinem Veränderungsprozess befand, gab es eine Zeit, in der ich oft in meinem bequemen Lehnstuhl saß und aus dem Fenster schaute. Ich beobachtete die Wolken, die am Himmel vorbeizogen, schaute den Vögeln zu, die ihre Tänze in der Luft vollzogen und beobachtete die Natur, die sich ständig veränderte.

Eigentlich waren diese Momente voller Glückseligkeit, wenn da nicht die Stimme in meinem Kopf gewesen wäre, die mir zubrüllte: „Du musst doch etwas tun!“

Was ich damals nicht wusste und komplett übersah, war die enorme Veränderung, die sich in mir abspielte und vollzog. Ich konnte nicht sehen, dass sich in mir tiefe, starke, neue Wurzeln bildeten. Ohne mein Zutun, ohne Anstrengung, bildeten sie sich einfach. Ich musste dafür nichts tun. Die gesamte innere Arbeit vollzog sich außerhalb meiner Wahrnehmung.

Während ich ungeduldig in Aktionismus verfiel und verzweifelte, weil sich im Außen nichts tat, entsorgte das Leben in Ruhe das alte Wurzelwerk und baute ein neues, tragfähiges auf. Kam ich dem Leben zu sehr ins Gehege, gab es mir manchmal sanft, manchmal mit mehr Nachdruck zu verstehen, dass mein Platz jetzt in diesem Lehnsessel ist. Es dauerte eine Weile, bis ich das endlich verstand und ich den Kampf gegen das Leben endlich aufgab.

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Geduld lernen

Daher kann ich so gut verstehen, wie du dich fühlst, wenn du gerade vor einer Veränderung stehst. Wenn alles viel zu langsam geht und du das Gefühl hast, am Stand zu laufen. Du dir Vorwürfe machst, weil du das „Falsche“ tust. Du in Zweifel verfällst, ob du dich vielleicht geirrt hast und alles nur eine Illusion war.

Ich weiß noch so genau, wie unangenehm es sich anfühlt, wenn der „Verstand“ scheinbar gegen das Leben kämpft. Wenn sich Alt und Neu treffen. Wenn uns Neues bereits verschwommen aus der Ferne zuwinkt, das Alte aber immer noch präsent ist.

Wenn dieses Gezerre zu unangenehm wird, denke an einen großen Baum und an die Arbeit, die das Leben vollbringt, um starke, tragfähige Wurzeln zu bauen.

Genau dasselbe passiert in dir. Du darfst darauf vertrauen, dass auch bei dir das Leben gerade neue Wurzeln schlägt. Es hat dich nicht vergessen. Es ist, von dir unbeobachtet, fleißig am Werk und verrichtet eine Arbeit, die du nicht tun kannst und auch nicht tun brauchst.

Vertraue dem Tempo des Lebens

Manchmal ist „im Lehnstuhl sitzen“ oder einen Spaziergang in der Natur machen genauso wichtig (oder wertvoller) wie jede To-do-Liste. Das Leben hat seine eigene Zeitrechnung, und es liegt an uns, dieser zu vertrauen. Auch wenn es dem Verstand zu langsam erscheint, ist es für uns genau das richtige Tempo.

„Und woher weißt du“, fragt der Meister, „dass die Erfüllung vor dir herläuft und du ihr nachrennen musst? Vielleicht ist sie hinter dir her, eilt dir nach und sie vermag nur nicht, dich bei deinem Tempo einzuholen?“

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Ich freue mich, dich auf deinem Weg zu mehr Klarheit und Leichtigkeit zu begleiten.

Alles Liebe,
Silvia

2 Comments

  1. Katja Stahlbaum 8. Mai 2022 at 9:41 - Reply

    Danke liebe Silvia, das tat gut zu lesen und mich zu erinnern, dass es nicht das Hinterherlaufen ist, das meine „Vision“ zum Leben erweckt, sondern viel mehr das Innehalten, das Lauschen auf die Weisheit und die damit verbundenen Informationen, Impulse…
    Der letzte Satz, so genial, da musste ich schmunzeln….ein tolles Sinnbild ;)
    Ganz liebe Grüße,
    Katja :)

    • Silvia Chytil, M.Sc. 8. Mai 2022 at 10:06 - Reply

      Liebe Katja,
      sehr gerne 🧡.
      Ja, wir vergessen es immer, wie viel innere Arbeit zu leisten ist und dass sich diese nicht durch Herumlaufen vollzieht :-).

      Freue mich, dass du dich wieder erinnert hast 🥰.
      Alles Liebe
      Silvia

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