Wie unsere Gedanken Gefühle erzeugen
Ich bin ein sehr gefühlsbetonter Mensch. Mein Mann lacht immer und meint, ich würde unsere Handwerker nur nach Gefühl aussuchen und weniger nach ihrem Können. Und tatsächlich – ich spüre sehr stark, ob etwas stimmig ist oder nicht.
Nach diesem Gefühl – so dachte ich zumindest – habe ich mich auch bei meiner eigenen Arbeit leiten lassen. Fühlte ich mich gut, war meine Arbeit gut. Fühlte ich mich schlecht, war meine Arbeit schlecht.
Dass das allerdings sehr trügerisch sein kann, habe ich erst in den letzten Jahren erkannt. Es gibt nämlich einen krassen Unterschied zwischen einem oberflächlichen Gefühl, das von meinen Gedanken kommt, und einem tiefen, stabilen Gespür.
… und sagen dann, sie waren es nicht
Vor vielen Jahren sah ich ein sehr spannendes Job-Inserat in der Zeitung. Allerdings – ich habe mich nicht darauf beworben. Warum? Weil ich ein schlechtes Gefühl bekam. Damals interpretierte ich dieses Gefühl als: „Ich bin nicht qualifiziert genug für diesen Job. Ich werde mich blamieren.“
Heute weiß ich: Dieses Gefühl war Angst. Versagens-Angst. Ich dachte, ich würde mich blamieren. Ich dachte, ich wäre nicht gut genug. Genau diese Gedanken erzeugten das Gefühl der Unsicherheit und Angst in mir.
David Bohm, ein bekannter Physiker, sagte einmal: „Unsere Gedanken erzeugen unsere Gefühle. Und sagen dann, sie waren es nicht.“ Der erste Teil ist mittlerweile wohlbekannt.
Aber viel wichtiger ist der zweite Teil: „Und sagen dann, sie waren es nicht.“
Wir sind uns dessen nicht bewusst
Genau hier liegt die Krux. Wenn wir uns dessen nicht bewusst sind, erkennen wir nicht, dass unsere Gedanken unsere Gefühle erzeugen. Alles läuft so unglaublich schnell ab, dass wir glauben, es seien das Inserat, der Stau, der Nachbar, der Partner, das Geld, der Lärm, die Politik, die Kinder, die Wirtschaft, … – all diese Dinge, von denen wir meinen, sie würden unsere positiven oder negativen Gefühle auslösen.
Doch tatsächlich: Unsere Gedanken erzeugen unsere Gefühle. Wir fühlen, was wir über das Inserat, den Job, den Stau, den Partner, den Nachbarn, den Lärm, die Politik, die Kinder, die Wirtschaft, … denken.
Und … wir fühlen auch, was wir über uns selbst denken. Denke ich, dass ich etwas nicht kann, fühle ich mich unsicher. Denke ich, dass ich mich blamieren werde, empfinde ich Scham oder Angst.
Nur weil wir uns dessen nicht bewusst sind (weil alles so rasend schnell in uns abläuft), heißt das nicht, dass wir Menschen nicht genau so funktionieren.
Es sind wirklich nicht die Socken
Die Erkenntnis, dass unsere Gedanken unsere Gefühle erzeugen, war für mich einer der größten Aha-Momente überhaupt. Plötzlich wurde mir klar, warum mich liegen gelassene Socken heute nervten, während ich morgen ganz entspannt darüber hinwegsehen konnte.
Warum ich heute für eine Idee voller Begeisterung bin und morgen verunsichert und voller Zweifel.
Die Socken sind dieselben. Die Idee auch. Was also macht den Unterschied?
Genau! Was ich gerade darüber denke.
So einfach. So schwer.
Eine entscheidende Frage bleibt offen
Diese Erkenntnis hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Doch eine entscheidende Frage blieb offen: Wenn ich meinen Gefühlen nicht trauen kann – weil sie sich ständig ändern und nur ein Spiegel meiner Gedanken sind – worauf kann ich mich dann verlassen?
Woher weiß ich, was ich als Nächstes tun soll, wenn meine Gefühle keine verlässliche Aussagekraft haben?
Woher weiß ich, wie ich entscheiden soll, wenn Gefühle nichts über die Situation selbst aussagen und schon gar nicht über die Zukunft?
Woher weiß ich, ob meine Arbeit oder meine Ideen gut sind, wenn meine Gefühle doch nur meine aktuelle Stimmung widerspiegeln?
Ich habe mich so lange auf meine Gefühle verlassen, dass ich in dem Moment dieser Erkenntnis dachte, mir hätte es den Boden unter den Füßen weggezogen. Alles, woran ich geglaubt hatte und wovon ich so überzeugt war, löste sich plötzlich in Luft auf.
Übrig blieb … Nichts. Eine Leere. Und viele Fragezeichen.
Wenn ich mich nicht auf meine Gefühle verlassen kann, worauf dann?
Gespür vs. Gefühl
In den letzten Jahren bin ich dieser Frage intensiv nachgegangen und habe etwas Erstaunliches erkannt: Wir haben tatsächlich eine Art inneres Navi, das uns zeigt, welche Schritte wir als Nächstes tun oder wie wir entscheiden sollen. Allerdings – und so würde ich es heute unterscheiden – ist es mehr ein Spüren als ein Fühlen.
Vielleicht klingt dieser Unterschied subtil, aber er ist entscheidend.
Das Gefühl, das durch unsere Gedanken entsteht, ist oft von Unsicherheiten, Zweifeln und Ängsten geprägt. Es kann uns ausbremsen und uns schlaflose Nächte bescheren. Oft genug hält es uns davon ab, das zu tun, was wir wirklich gerne tun wollen.
Das Gespür jedoch kommt aus einer tieferen Ebene. Es ist ein Gefühl von Neugierde, Freude oder Inspiration, das aufsteigt, wenn wir mit etwas in Resonanz gehen. Dieses Spüren erfüllt und belebt uns; es ist unsere Intuition, unser inneres Wissen.
Während gedankengetriebene Gefühle oft eine Geschichte über „mich“ enthalten – eine Erzählung voller Zweifel und Unsicherheiten – zeigt uns das tiefe Spüren den Weg ohne Bewertungen und Vergleiche. Es ist ein reines, klares Empfinden im Moment, das uns sicher und ruhig durchs Leben führt.
Welchem inneren Navi folgst du?
Zurück zu meinem Beispiel mit dem Job: Was habe ich damals gespürt, bevor die unsicheren Gedanken einsetzten? Neugier und Interesse. Das Inserat hatte etwas in mir angestoßen, das sich gut und richtig anfühlte. Erst als Gedanken wie „Ich bin nicht gut genug“ aufkamen, setzte das unsichere Gefühl ein.
Vielleicht kennst du das auch von dir selbst. Du hast eine neue Idee, fühlst Begeisterung, spürst das innere Feuer und die Neugier, etwas Neues in die Welt zu bringen.
Doch plötzlich tauchen die unsicheren Gedanken auf: „Kann ich das? Schaffe ich das? Ist das nicht zu viel?“ Und mit einem Mal sind Begeisterung und Freude wie weggeblasen, übrig bleiben Zweifel, Ängste und Unsicherheiten.
Sollst du diese Zweifel ignorieren?
Nun – das überlasse ich ganz dir. Du kannst dich von Ängsten, Sorgen und Zweifeln leiten lassen, sie ernst nehmen und als deinen Kompass verwenden.
Oder aber, du erkennst sie, als das, was sie wirklich sind – unsichere Gedanken, die bei uns allen kommen und gehen – und entscheidest, dich stärker an deiner Freude und Begeisterung zu orientieren.
Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg. Nur den, der sich für dich besser anfühlt und dir erlaubt, jene Dinge zu tun, die dir wirklich am Herzen liegen.