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Warum du nicht handelst

Ich habe ein altes Auto. Ein uraltes. Eigentlich brauche ich es nicht wirklich, also steht es die meiste Zeit nur rum. Leider manchmal an Plätzen, an denen es eigentlich nicht stehen darf.

Ich hätte mich darum kümmern sollen. Entsorgen. Reparieren. Verkaufen. Verschenken. Habe ich aber nicht. Also habe ich eine Anzeige bekommen. Für widerrechtliches Abstellen. Die Kosten für mein „Nicht-Handeln“ waren einige hundert Euro.

Und dann ist das passiert, was immer passiert: Ich habe mir Vorwürfe gemacht. „Warum habe ich nicht…“ „Ich hätte doch einfach…“ „Typisch für mich, dass ich…“

Aber was, wenn diese ganze Geschichte falsch ist?

„Nicht-Handeln ist eine Illusion. Es gibt nur verschiedene Arten des Handelns zu verschiedenen Zeitpunkten.“

Es gibt kein Nicht-Handeln

Während ich das Auto „nicht“ entsorgt habe, habe ich andere Dinge getan. Ich habe mein Leben gelebt. Ich habe gearbeitet. Ich habe Zeit mit Menschen verbracht, die mir wichtig sind. Ich habe mich ausgeruht. Ich habe nachgedacht.

„Nicht-Handeln“ ist eine Illusion. Es gibt nur verschiedene Arten des Handelns zu verschiedenen Zeitpunkten.

Und die Wahrheit ist: Ich habe permanent Entscheidungen getroffen. Jeden Tag habe ich neu entschieden: „Heute kümmere ich mich nicht um das Auto.“ Diese Entscheidung war mir vielleicht nicht bewusst, aber ich habe sie trotzdem getroffen.

Das ist der erste wichtige Punkt: Du handelst immer. Auch wenn es sich nicht so anfühlt. Auch wenn du denkst, du schiebst nur auf. In Wahrheit triffst du aktiv die Entscheidung zu warten. Und diese Entscheidung hat Gründe.

„Wir sind nicht faul oder undiszipliniert – wir sind Rechenmaschinen, die versuchen, das Beste aus unseren Ressourcen zu machen.“

Dein Gehirn rechnet permanent

Tief in mir hat ein Teil permanent gerechnet: Auf der einen Seite die Kosten des Handelns – Zeit aufwenden, Energie investieren, mich mit Bürokratie beschäftigen, eine endgültige Entscheidung treffen.

Auf der anderen Seite der Nutzen des Nicht-Handelns: Diese Zeit und Energie für andere Dinge verwenden, die Entscheidung aufschieben, solange es noch geht.

Solange der Nutzen des Nicht-Handelns höher war als die Kosten des Wartens, habe ich gewartet. Das war völlig logisch.

Erst als ich die Strafe in der Hand gehalten habe, ist die Rechnung gekippt. Die Kosten des Wartens haben plötzlich den Nutzen überstiegen. Also habe ich gehandelt. Innerhalb einer Woche war das Auto weg.

Ich bin nicht plötzlich „mutiger“ oder „disziplinierter“ geworden. Die Mathematik hat sich einfach geändert.

Diese Rechnung läuft ständig in uns ab. Bei jeder Entscheidung. Bei jedem Moment des vermeintlichen Aufschiebens.

Wir sind nicht faul oder undiszipliniert – wir sind Rechenmaschinen, die versuchen, das Beste aus unseren Ressourcen zu machen.

Das emotionale Betriebssystem und seine verborgene Logik

Aber diese Kosten-Nutzen-Rechnung ist nicht rational. Sie ist emotional. Und sie folgt einer tiefen, uralten Logik, die wir oft nicht verstehen.

Nehmen wir eine Kundin von mir, eine Grafikdesignerin. Seit Jahren träumt sie davon, sich selbstständig zu machen. Sie hat das Talent, die Kontakte, sogar schon Kundenanfragen. Als Selbstständige würde sie das Doppelte verdienen.

Trotzdem bleibt sie in ihrer Agentur-Anstellung. Ist unglücklich. Fühlt sich unterfordert. Ärgert sich täglich über ihren Chef.

Ihr Verstand hat gute Gründe parat: „Der Job ist sicher. Krankenversicherung. Urlaub. Rente.“ Alles rational.

Aber das ist nicht der wahre Grund.

Mit acht Jahren hat sie stolz ihr Kunstwerk vor der Klasse gezeigt. Die anderen Kinder haben gelacht. Diese Erinnerung ist gespeichert – mit allem drum und dran.

Heute, 30 Jahre später, jedes Mal wenn sie an die Selbstständigkeit denkt: „Sich zeigen ist gefährlich. Die anderen könnten lachen. Lieber unsichtbar bleiben.“

Ihr Verstand liefert dann brav die rationalen Gründe nach. Aber die eigentliche Entscheidung treffen diese uralten Programme.

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Wenn die Rechnung kippt

Veränderung passiert nicht durch Willenskraft oder Disziplin. Sie passiert, wenn die emotionale Rechnung umkippt. Wenn die Kosten des Bleibens plötzlich höher werden als die Kosten der Veränderung.

Das kann verschiedene Auslöser haben: Ein Burnout macht dir die Kosten deines aktuellen Jobs plötzlich spürbar. Ein Vorbild zeigt dir, dass Selbstständigkeit möglich ist, ohne dass du dich verbiegen musst. Ein Coach hilft dir dabei, deine alten Programme zu erkennen und neue Erfahrungen zu machen.

Oder es passiert schleichend. Meine Kundin hat mit kleinen Schritten angefangen. Einen Freelance-Auftrag angenommen, während sie noch angestellt war. Positive Rückmeldungen gesammelt. Erfahrungen gemacht, die ihrem alten Programm widersprochen haben.

Schritt für Schritt hat sich ihre emotionale Rechnung verändert. Nicht weil sie sich dazu gezwungen hat, sondern weil sie ihrem System Zeit gegeben hat, neue Daten zu sammeln.

Diese Veränderung kannst du nicht erzwingen. Du kannst sie nur ermöglichen. Durch Bewusstsein für deine eigenen Programme. Durch kleine, sichere Experimente. Durch die Geduld, deinem emotionalen System Zeit zu geben, neue Erfahrungen zu sammeln.

„Wie genial ist unser System, bitte?“

Dieser eine Morgen

Du kennst das von dir. Du schiebst eine Arbeit auf. Tage-, wochen-, monatelang. Machst dir Vorwürfe: Ich sollte doch eigentlich… Warum tue ich das nicht?

Du spürst den Druck, den inneren Widerstand. Du machst dir Vorwürfe. Fühlst dich schlecht, unfähig. Meinst du würdest unter Prokrastination leiden und bräuchtest vermutlich nur mehr Disziplin.

Und dann eines Morgens stehst du auf und erledigst das Ding einfach. Ohne darüber nachzudenken. Du tust einfach.

Was ist passiert?

Scheinbar „über Nacht“ ist die Rechnung gekippt. Was natürlich so nicht stimmt – ein Vulkan bricht auch nicht über Nacht plötzlich aus.

Sondern in der Zeit des Nicht-Handelns hat dein System langsam gelernt. Möglichkeiten überprüft. Wege ausgeforscht. Die Konsequenzen ausgelotet.

Und irgendwann ist der fix und fertige Plan in deinem Bewusstsein aufgetaucht.

Wie genial ist unser System, bitte?

Während wir uns fertig machen, halbe Nächte mit Grübeln verbringen, erledigt unser System unter der Oberfläche die Arbeit und gibt uns Bescheid, wenn es Zeit zum Handeln ist.

„Du handelst nicht dann, wenn es rational am besten wäre, sondern dann, wenn es emotional für dich möglich wird.“

Es gibt kein „zu spät“ – nur perfektes Timing

Du handelst genau dann, wenn deine emotionalen Programme kippen. Nicht früher. Nicht später. Das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse über menschliches Verhalten – und gleichzeitig eine der befreiendsten.

„Zu spät“ ist eine Geschichte, die dir dein Verstand erzählt. Eine Geschichte, die oft mehr Schaden anrichtet als das ursprüngliche „Nicht-Handeln“. Denn diese Geschichte macht aus einer neutralen Beobachtung plötzlich ein moralisches Urteil über dich.

Das Konzept „zu spät“ geht davon aus, dass es den einen objektiv „richtigen“ Zeitpunkt gibt. Aber das ist Quatsch.

Du handelst nicht dann, wenn es rational am besten wäre, sondern dann, wenn es emotional für dich möglich wird.

Stell dir vor, du würdest einem Samen vorwerfen, dass er „zu spät“ keimt. Absurd, oder? Der Same keimt genau dann, wenn alle Bedingungen stimmen – Wärme, Feuchtigkeit, Licht. Nicht früher, nicht später.

Genauso ist es mit deinen Entscheidungen. Sie reifen, bis alle emotionalen Bedingungen stimmen. Dann passiert die Veränderung. Natürlich und ohne dass du dich dazu zwingen musst.

„Willenskraft ist ein Kampf gegen dich selbst.
Weisheit ist eine Freundschaft mit dir selbst.“

Die befreiende Erkenntnis

Diese Erkenntnis ist nicht nur intellektuell interessant – sie ist heilsam. Sie befreit dich von diesem ewigen Sich-Vorwürfe-Machen. Statt dich zu fragen „Warum habe ich das nicht früher gemacht?“, kannst du fragen: „Was musste in mir reifen, damit ich jetzt handeln kann?“

Das Verrückte ist: Sobald du aufhörst, dich zum Handeln zu zwingen, sobald du dir erlaubst, genau dort zu sein, wo du gerade bist, fängt die wahre Veränderung an. Nicht weil du dich zu etwas gezwungen hast, sondern weil du verstanden hast, wie du tickst.

Das ist der Unterschied zwischen Willenskraft und Weisheit. Willenskraft versucht, dein System zu überwältigen. Weisheit versucht, es zu verstehen. Willenskraft ist Kampf gegen dich selbst. Weisheit ist Freundschaft mit dir selbst.

Und in dieser Freundschaft – nicht im Kampf – liegt die Kraft.

Wenn du dich das nächste Mal dabei erwischst, wie du dir Vorwürfe machst, weil du „nicht handelst“, erinnere dich: Du handelst bereits. Du triffst Entscheidungen. Dein System rechnet. Und es gibt einen guten Grund, warum die Rechnung noch nicht gekippt ist.

Die Frage ist nicht: „Warum handle ich nicht?“ Die Frage ist: „Was braucht es, damit das Handeln für mich möglich wird?“

In dieser Frage liegt der Schlüssel.

Alles Liebe

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