Warum ist Veränderung so schwer
Wir schreiben das Jahr 2012. Ich sitze in einem Besprechungsraum im 7. Stock eines Konzerns und schaue zu, wie ein Projektleiter sein Team anbrüllt: „Ihr müsst nur wollen! Change Management ist eine Frage der Einstellung!“
Verdutzte Gesichter. Angespannte Stimmung. Ich denke mir: „Was für ein Blödsinn.“ Aber ich halte meinen Mund. War ja mein Job als Change-Beraterin. Pläne erstellen, Widerstände abbauen, Menschen „abholen“. Ich kannte alle Modelle – Kotter, Bridges, das ganze Arsenal.
Drei Monate später war das Projekt gescheitert. Wie so viele andere auch. Die Mitarbeiter:innen machten weiter wie bisher, die neuen Prozesse versandeten, die Motivation war im Keller. Offiziell lag es am „Widerstand gegen Veränderung“. Inoffiziell wusste jeder: Es hat von Anfang an nicht funktioniert.
Ein Moment der Klarheit
Natürlich machte ich mir Vorwürfe. Was ist schiefgelaufen? Was habe ich übersehen? Ich habe zwar „Veränderung“ studiert, aber zu dem Zeitpunkt musste ich mir eingestehen: Ich habe absolut keine Ahnung, wie Veränderung passiert.
Denn mal ehrlich: Wie oft hast du dir schon vorgenommen, mehr Sport zu betreiben, weniger zu naschen, früher aufzustehen.
Du nimmst es dir ganz fest vor. Malst dir ein Visionboard, sprichst täglich 2x deine Affirmationen.
Und … manchmal funktioniert es. Und manchmal nicht.
Ist Veränderung Zufall? Mehr Disziplin? Mehr Willenskraft?
Oder steckt dahinter etwas ganz anderes?
Und plötzlich ist alles anders
Wir haben vor unserem Fenster einen Teich. In dem quaken Frösche. Laut. Sehr laut!
Mein Mann und ich haben lange überlegt, ob wir statt des Teiches einen Pool bauen sollen. Ist zwar nicht so schön, aber ruhiger.
Irgendwann haben wir uns dazu entschieden, den Teich zu lassen.
Und bei mir ist etwas Faszinierendes passiert: Plötzlich stören mich die Frösche nicht mehr.
Da war nix mit Disziplin. Also ich bin nicht im Bett gelegen und habe mir fest vorgenommen: Ab jetzt stören mich die Frösche nicht mehr.
Ich habe darüber auch nicht meditiert oder mir Affirmationen auf den Badezimmerspiegel geklebt.
Es ist einfach passiert!
Doch nur Zufall?
Je mehr ich in die Thematik „Veränderung“ eingetaucht bin, umso mehr haben sich doch Gesetzmäßigkeiten herauskristallisiert.
Für mich gibt es 3 Prinzipien:
„Solange wir nicht erkennen, was das eigentliche Ziel unserer Veränderung ist, werden wir immer wieder scheitern.“
Verstehen – Was willst du wirklich?
Bei meinem Teich war es einfach. Ich wollte die Natur. Ich wollte keine blaue Wasserfläche, die viele Monate im Jahr abgedeckt ist. Ich wollte Leben, ich wollte Natur – und zwar das ganze Jahr über.
Was aber bedeutet: Manchmal macht diese Natur einen ziemlichen Lärm. Das gehört dazu.
Allein diese Erkenntnis, was ich wirklich möchte, hatte bei mir den Shift gemacht.
Ein anderes Beispiel: Ich hatte mal eine Kundin, erfolgreiche Anwältin, die „endlich mal Work-Life-Balance“ wollte. Monatelang hat sie ihren Kalender optimiert, an ihren Grenzen gearbeitet, an ihrer Effizienz. Nichts hat sich geändert. Sie war trotzdem immer gestresst und unter (Zeit-)Druck.
Bis wir tiefer gegraben haben und sie erkannt hat: „Ich will gar keine Balance. Ich will raus. Ich will was ganz anderes machen. Aber ich traue mich nicht, weil alle denken würden, ich bin verrückt.“
Da ist sie – die echte Geschichte. Nicht „ich brauche Balance“, sondern „ich hasse meinen Job, aber habe Angst vor dem Urteil anderer und vor dem Unbekannten“.
Wir arbeiten oft so verbissen an der Oberfläche. An einem besseren Zeit-Management, an mehr Disziplin, an unserer Willenskraft.
Aber solange wir nicht erkennen, was das eigentliche Ziel unserer Veränderung ist, werden wir immer wieder scheitern.
Manchmal braucht es Mut
Ehrlich hinzuschauen – was will ich wirklich – das erfordert manchmal Mut. Denn natürlich tauchen Ängste auf, vor allem wenn es sich um große Veränderungen, wie einen Jobwechsel oder der Sprung in die Selbstständigkeit handelt. „Wird es klappen? Werde ich scheitern? Was denken die anderen?“
Aber auch bei kleinen Veränderungen wie „mehr Sport“ müssen wir genau hinschauen: Will ich wirklich Sport betreiben? Oder soll er einen Zweck erfüllen? Und gibt es dafür nicht auch andere Wege?
Echte Veränderung heißt: Ehrlich hinzuschauen und herauszufinden, was du wirklich willst.
„Deine Aufmerksamkeit ist das größte Geschenk, das du sowohl anderen Menschen als auch dir schenken kannst.“
Verbinden: Bist du wirklich da?
Eine Kundin von mir war ständig geplagt von schlechtem Gewissen. War sie in der Arbeit – dachte sie, sie sollte mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Beschäftigte sie sich mit ihren Kindern – dachte sie ständig daran, was sie nicht noch alles zu tun hatte.
Dass das zu schlechter Stimmung, zu Stress, zu Überforderung führte, das kannst du dir vorstellen.
Nein, wir haben nicht an Zeit-Management gearbeitet.
Wir haben an Präsenz gearbeitet.
Denn der Stress kam nicht daher, dass sie zu viel zu tun hatte. Sondern daher, dass sie mit ihren Gedanken immer woanders war. Und das erzeugt Stress.
Präsent sein klingt oft esoterisch und nach „Wohooo“. Ich höre oft: „Ich kann nicht im Hier und Jetzt sein, ich hab noch so viel zu tun.“
Aber warum ist Präsenz so wichtig für Veränderung?
Aus mehreren Gründen:
- Du gehst in Verbindung mit deiner Umwelt. Was ist jetzt wirklich notwendig? Was brauchen die anderen?
- Du gehst in Verbindung mit dir selbst. Wo bin ich gerade mit meinen Gedanken? Wie geht es mir? Habe ich ausreichend Energie für das, was gerade gefordert ist?
Deine Aufmerksamkeit ist das größte Geschenk, das du sowohl anderen Menschen als auch dir schenken kannst.
Es wird sich nie etwas verändern, wenn du ständig in Gedanken woanders bist.
Echte Veränderung heißt: Die Verbindung zu dir und zu anderen zu stärken.
„Wir sind bestens dafür gerüstet, mit Unbekanntem umzugehen.“
Vertrauen – Du bist bestens dafür gerüstet
Es gibt einen Satz, der bei mir wie eine Bombe eingeschlagen hat (vermutlich mehr, als bei meiner Kundin, die ihn gesagt hat 😏). Ich hatte ein 3-Tages-Retreat mit einer erfolgreichen Unternehmerin. Wir ließen die letzten 12 Monate Revue passieren, arbeiteten an einer neuen Business-Strategie und sprachen viel über Gedanken und innere Weisheit.
Am Ende der 3 Tage öffnete ich ein neues Flipchart und schrieb ganz oben „Die nächsten 12 Monate“. Meine Kundin schaute darauf, war ganz still, überlegte und sagte dann: Komme, was wolle, ich werde damit umgehen können.
Ich meine – für mich war das Weihnachten, Geburtstag und Ostern in einem. Ich hätte vor Freude hüpfen können (vielleicht habe ich es sogar getan …).
Aber genau das ist es!
Wir glauben, wir müssten alles planen, durchdenken, kontrollieren. Das gibt uns scheinbar Sicherheit.
Nur leider ist das eine Lüge. Wir wissen nicht, was morgen ist, geschweige denn in einem Jahr.
Und gerade, wenn es um eine tiefgreifende Veränderung geht, bedeutet es, wir betreten Neuland. Da wissen wir schon rein gar nichts.
Die unsichtbare Intelligenz in uns
Aber die gute Nachricht: Wir haben eine unglaubliche Intelligenz in uns. Nenne sie Intuition oder innere Weisheit. Sie weiß, wie eine Wunde heilt, unser Herz schlägt und aus einem Apfelkern ein Apfelbaum wird.
Wir sind bestens dafür gerüstet, mit Unbekanntem umzugehen. Ja, unser Verstand mag das nicht so gerne – der hält sich lieber in bekannten Gewässern auf.
Aber wenn du darauf vertraust, dass du wissen wirst, was zu tun ist, dann kannst du neue Schritte wagen. Und das ist Veränderung.
Echte Veränderung heißt: Darauf zu vertrauen, dass du mit Unbekanntem bestens umgehen kannst.
„Dein Schlüssel der Veränderung liegt nicht im Außen. Er liegt in dir. Im Verborgenen.“
Veränderung passiert innen, nicht außen
Veränderung ist deshalb so schwierig, weil wir versuchen, das Außen zu verändern, um einen inneren Zustand zu erreichen.
Neuer Job – weniger Stress.
Mehr Geld – innere Sicherheit.
Selbstständigkeit – Freiheit.
Aber Stress, Sicherheit, das Gefühl der Freiheit – sie kommen von innen.
Genau das sind die Gründe, warum wir „scheitern“. Weil wir an der falschen Stelle suchen.
Du kennst vielleicht den Witz:
Ein Mann sucht nachts unter einer Straßenlaterne nach etwas.
Ein Polizist kommt vorbei und fragt:
„Was haben Sie verloren?“
Der Mann: „Meinen Schlüssel.“
„Sind Sie sicher, dass Sie ihn hier verloren haben?“
Der Mann: „Nein, dort drüben … aber hier ist Licht.“
Dein Schlüssel der Veränderung liegt nicht im Außen. Er liegt in dir. Im Verborgenen.
Verstehen, was du wirklich willst.
Verbinden mit dem, was gerade ist.
Vertrauen, dass sich die nächsten Schritte zeigen werden.
Hör auf, unter der Laterne zu suchen. Geh ins Dunkle. Da findest du alles, was du suchst.